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len würde, daß ich Santa Claus bin?«
Virginia sah ihn einen Augenblick verwundert
an, und dann lachte sie glockenhell auf. »Du bist
ein prima Kerl, Nick«, sagte sie schließlich. »Aber
Santa ... das ist ein bißchen dick aufgetragen, fin-
dest du nicht?«
»Finde ich überhaupt nicht«, sagte Nick. Und
dann, fast ohne sein Zutun und als wäre es das
Selbstverständlichste der Welt, begann sich der
Chevy von der menschenleeren Straße zu lösen. Es
geschah ganz langsam und fast unmerklich; die
Räder verloren einfach den Bodenkontakt, drehten
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leer durch, und trotzdem beschleunigte der
schwere Wagen ständig weiter. Nick biß die Lip-
pen aufeinander; einen Moment lang fühlte er sich
wie jemand, der an einem Abgrund steht und in
die Tiefe starrt mit der sicheren Gewißheit, daß er
jeden Moment in die Tiefe stürzen wird. Doch
dann begann ein Gefühl ruhiger Sicherheit von
ihm Besitz zu ergreifen, und im gleichen Maße,
wie er sich beruhigte, begann der Wagen empor-
zusteigen, zuerst fast unmerklich und dann immer
schneller, bis Virginia darauf aufmerksam wurde.
»Heiliger Strohsack! « schrie Virginia. »Was pas-
siert hier?«
»Keine Angst, Virginia«, sagte Tess vom Rück-
sitz aus. »Der Chevy fliegt genauso sicher, wie er
fährt. Und Nick ist ein - eh - passabler Chevy-
Pilot. Er hat schon ganz andere Situationen gemei-
stert.«
»Ich träume! « schrie Virginia. »Eindeutig! Das
kann nur ein Traum sein! Ich liege schon längst im
Bett und ...«
»Das ist kein Traum, Virginia«, sagte Nick leise.
»Das ist eine fantastische Reise, und du steckst
mittendrin. «
»Das kann nicht sein«, wiederholte Virginia
hartnäckig, aber der Zweifel in ihrer Stimme war
unüberhörbar. »Es ist wie im Märchen, und Mär-
chen werden nie Wirklichkeit.«
»Das glaubst du doch selber nicht«, sagte Lati-
sha vom Rücksitz aus. lhre Stimme klang freund-
lich, aber auch ein bißchen besorgt; das mochte
aber daran liegen, daß der Chevy gerade in
Schräglage ging, um einem Kirchturm auszuwei-
chen. Auf den Straßen unter ihnen nahm der Ver-
kehr zu, und bald mußten sie die Hauptstraße er-
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reicht haben, auf denen die Blechkarawanen sich
nur schrittweise vorwärts bewegten. Doch dies-
mal waren sie nicht abhängig vom Verkehrsstau,
diesmal konnten sie sich im wahrsten Sinne des
Wortes über ihn hinwegsetzen.
»Du weißt doch ganz genau, daß es außerhalb
der festgeschriebenen Erwachsenenwelt noch an-
dere Dinge gibt, Dinge voller Zauber und Fantasie,
ohne die Fesseln der Wissenschaft, die alles kaputt
erklärt«, fuhr Latisha fort. »Wie hättest du dir
sonst vor zwei Jahren einen unsichtbaren Begleiter
vom Weihnachtsmann wünschen können?«
»Woher weißt du denn davon?« fragte Virginia
überrascht.
Latisha lachte kurz auf, verstummte aber
schlagartig, als der Chevy zu schaukeln anfing
und sich in eine Rechtskurve legte, um der Haupt-
straße zu folgen. »Ich sitze am Nordpol sozusagen
an der Eingangszentrale für Wunschzettel«, er-
klärte sie dann freundlich. »Und an deinen
Wunsch kann ich mich deswegen erinnern, weil er
ziemlich selten ist - und weil du eines der ganz
wenigen Kinder bist, dem seine Erfüllung gewährt
wurde.«
»Kein Mensch wußte von Chew«, sagte Virginia
leise. »Aber leider ist er nun nicht mehr da.« Sie
seufzte. »Er ist am selben Tag verschwunden, als
uns Mom mitteilte, daß wir zu Onkel Mallory zie-
hen würden.«
»Ich möchte eure kleine Unterhaltung ja ungern
stören«, unterbrach sie Nick. »Aber es wird wohl
Zeit, etwas zu unternehmen, wenn wir Rico wirk-
lich helfen wollen. Und das willst du doch, oder,
Virginia?«
»Ja, natürlich will ich das«, antwortete Virginia
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mit Tränen in den Augen. Sie sah hinab auf die
Mission Bay, die langgestreckte Bucht vor San Die-
go mit den Lichtern der Stadt im Hintergrund,
und ließ ihren Blick auf die andere Seite wandern,
dorthin, wo eine Million Menschen in Erwartung
des Weihnachtsfests den letzten Abend vor Heilig-
abend verbrachte, mit ganz verschiedenen Wün-
schen und Sehnsüchten, von denen sich wohl nur
die wenigstens erfüllen würden. Sie hatte keinem
Menschen von Chew erzählt, von ihrem geheimen
Begleiter, der sich traurig von ihr verabschiedet
hatte, als er erfuhr, daß Virginia nun zu Onkel
Mallory würde übersiedeln müssen. »Dorthin
kann ich leider nicht mitkommen«, hatte er Virgi-
nia traurig erklärt. »Dein Onkel ist ein böser
Mann, kleine Virginia, und wo das Böse regiert,
kann ich nicht sein.«
Virginia wischte sich eine Träne aus den Augen-
winkeln. Chew war ihr heimlicher Freund gewe-
sen, und sie hatte alle Geheimnisse mit ihm teilen
können. Jetzt fühlte sie sich schrecklich einsam.
Aber Latisha hatte natürlich recht: Sie hatte immer
gewußt, daß es über die Grenzen der Erwachse-
nenwelt hinaus Dinge gab, die unerklärlich und
wunderschön zugleich waren. Und schon des öfte-
ren hatte sie Glück gehabt, weil sie ein Hauch die-
ses Geheimnisses ein Stück weit in ihrem Leben
getragen hatte. Warum sollte es dann nicht auch
möglich sein, daß sie hier in einem Chevy über
ihre Stadt flog, mit einem Mann an ihrer Seite, der
von sich behauptete, der Weihnachtsmann zu
sein?
»Die Kristallkugel bitte, Mädels«, sagte Nick.
»Wollen wir doch mal sehen, ob sich mit ihrer Hi1-
fe nicht etwas für Rico rausholen läßt.«
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»Ich weiß nicht, ob das eine so gute Idee ist«,
sagte Tess zweifelnd.
»Immerhin ist es eine Idee«, widersprach ihr La-
tisha. »Irgendwie muß man ja anfangen.«
»Na gut, wenn du meinst.« Tess kramte etwas
unter der Sitzbank hervor; eine glitzernde Kristall-
kugel, die dennoch im Halbdunkel der beginnen-
den Nacht merkwürdig stumpf und leblos wirkte.
»Hier«, sagte sie und reichte sie Nick nach vorne.
»Danke«, sagte Nick. Er nahm die Kristallkugel
mit beiden Händen. Das Lenkrad des Chevys hat-
te er schon kurz nach ihrem Start losgelassen; es
hatte für solch einen Flug sowieso keine Bedeu-
tung. Etwas beunruhigt war er trotzdem, denn er
wußte nicht so genau, was den Wagen eigentlich
steuerte. War es seine eigene Vorstellung, auf kür-
zestem Weg Rico erreichen zu wollen? Oder spiel-
te Virginia dabei mit? War es nicht eher ihr
Wunsch, der in Verbindung mit seinen verschütte-
ten Fähigkeiten dafür gesorgt hatte, daß sie jetzt in
direkter Fluglinie zu Rico unterwegs waren?
Nick atmete zwei-, dreimal tief durch, und dann
ließ er die Kristallkugel los. Getragen von seinem
Wunsch, eine Verbindung herzustellen, schwebte
die Kugel ein Stück nach oben und kam dann in
Höhe des Rückspiegels zur Ruhe. Auf ihrer Ober-
fläche zuckten Lichtreflexe, und Farben wirbelten
in einem faszinierenden Spiel durcheinander.
Aber Nick hatte keine Zeit, dieses Farbenspiel zu
bewundern. Er konzentrierte sich auf seinen
Wunsch, Kobo und Carla erscheinen zu lassen. Es
dauerte eine Weile, bis er das Gefühl hatte, daß da
mehr war als nur ein zufälliges Farbmuster. Lang-
sam, ganz langsam schälten sich die Umrisse einer
Szene heraus, die ihm nur zu bekannt war. Als das
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Bild an Deutlichkeit zunahm, stieß Virginia einen
unterdrückten Schrei aus. Fast hätte er Nick aus
seiner Konzentration gerissen, aber dann hatte er [ Pobierz całość w formacie PDF ]

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